Dienstag, 26. März 2013

Poststrukturalismus 4 (Finale)


6. Heute

Nach dem großen Geschichtsüberblick der vergangenen Teile kann man den PS also im Licht der Geschichte betrachten und verstehen, inwiefern er sich von allen vorgegangenen Denkweisen unterscheidet, und wie er aus ihnen hervorgegangen ist.
In diesem letzten Teil betrachten wir etwas genauer, was ihn ausmacht, welche Denker ihn vor allem prägten, wer gegen ihn kämpft, und weshalb der PS als Grundlage des Gender-Diskurses und der Political Correctness dient.

Die Informationsquelle ist hierbei die zweite Folge über Poststrukturalismus, erschienen auf der Seite des CRE.
Wie immer halte ich mir nicht vor, dabei alle im Podcast angesprochenen Themen aufzugreifen. Ich gebe nur wieder, was bei mir hängenblieb, und wie es hängenblieb. Wenn ich teilweise Informationen nicht ganz korrekt wiedergebe oder abschweife, bitte ich das im Vorfeld zu entschuldigen. Korrekturen oder Kommentare sind gerne willkommen.


Erinnern wir uns, was die Moderne ausmachte: Veränderung als Konstante, und frohlockender Fortschrittsglaube: Immer weiter, schneller, höher. Wachstum um jeden Preis.
Dieses Fortschrittsdogma entpuppte sich als neuer Zwang, den sich die Menschheit selbst auferlegte (und es teils immer noch tut).
Dieser Zwang muss ebenfalls hinterfragt werden.

Die Hochzeit des PS lag in den 70ern. Neben Anderen sind Foucault und Derida als führende Denker zu nennen.
Heute hat der PS nicht mehr viel zu melden, aber er prägte viele Denkrichtungen. Ihm entwuchs der Dekonstruktivismus, welcher sich von gängigen Denkweisen distanziert und in seiner radikalen Form statuiert, dass es keine allgemeine, sondern viele subjektive Wahrheiten gibt. Der Dekonstruktivismus beeinflusste sogar die Architektur.

6.1.Focault und die Diskurse
Foucault entwickelte niemals ein geschlossenes Denksystem, sondern galt eher als ein "Troll der Philosophie", der vor allem gängige Denkmuster angriff. Er prägte die Diskurstheorie.
Wir alle schwimmen in Ideen-Strömungen, die Focault als Diskurse bezeichnete.
Im Kern geht es bei Diskursen um die Verteilung von Macht- Wer hat die Macht, und wem wird sie vorenthalten, und wieso wird sie bestimmten Leuten vorenthalten?
In den Diskursen gibt es also Majoritäten, die Minoritäten systematisch ausschließen, indem ihnen kein Platz im Diskurs gewährt wird. Nur durch das Eindringen der Minoritäten in den Diskurs entstehen neue Machtkerne, auf die die alten Machtkerne fortan blicken und sich, vom Neuzugang ausgehend, umorientieren- der Diskurs ändert sich.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung bietet der Gender-Diskurs.

6.2 Gender-Debatte
Zu dieser Zeit ist es gar nicht solange her, dass eine erneute Debatte über Sexismus die Medien beschäftigte.
An dieser Stelle sei auch auf die Folge des Soziopod verwiesen, der sich mit Feminismus beschäftigt, bzw. seinen Ursprüngen und seinen diskurstheoretischen Wurzeln.
Die ausgeschlossene Minorität bilden hierbei die Frauen.
Genauso wie andere Minoritäten, etwa Schwule oder Schwarze, versuchten und versuchen Frauen eine gleichgestellte Position in der Gesellschaft zu erlangen.
Ein Kulturraum wird bestimmt von seinem Sprachsystem. Wo es keine Sprache für Minoritäten gibt, werden sie ausgeschlossen, z.B. in der Hackerszene, die von Männern dominiert ist. Unter Hackern gibt es den "Balls of Steel- Award". Für Frauen ist es dementsprechend schwer, einen solchen Award zu erlangen.
Sexismus wird als Degradierung des anderen Geschlechts definiert; sexistisch verhält sich, wer sich als mächtiger darstellt als das andere Geschlecht. Das kann für Männer wie auch für Frauen gelten, unterm Strich sind es aber vor allem die Männer, die ihre Machtdominanz demonstrieren.

Der Feminismus ist also kein bloßes "Frauen-Ding", sondern es geht dabei ganz allgemein um die Gleichheit von Menschen, bzw. um das Ankämpfen gegen Ungleichheit. Wer sich zum Feminismus bekennt, egal ob Frau oder Mann, verfolgt ein positves Bild beider Geschlechter- dabei werden Männer keineswegs in die Sexismus-Schublade gesteckt, sondern sie werden im Gegenteil als Menschen anerkannt, die Frauen als gleichwertig behandeln.

6.3. Political Correctness
PC ist anstrengend. Und man ist niemals fertig mit ihr. Die PC beschäftigt sich mit der Sprache, ganz im poststrukturellen Sinne. "Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.." dreht sich eigentlich immer um Dinge, die man eben nicht mehr so sagen sollte.
Einen Gehandicapten als gehandicapt und nicht als behindert zu bezeichnen ist politisch korrekt, da man "Behindert" auch als Schimpfwort benutzen kann. Schwarze werden nicht als "Neger" bezeichnet, da man sich der kolonialen Wurzeln dieser Bezeichnung gewahr ist. "Neger" hat nicht nur heute eine negative Konotation, sondern hatte sie schon immer- als Oberbegriff für eine Art von Menschen, die der weißen Klasse untergeordnet war, die zu Beginn gar nicht als Menschen gehandelt wurden- das "alle Menschen sind gleich" der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung schloss Schwarze erst später in die Begrifflichkeit Mensch ein.
PC ist anstrengend, weil sie Gewohnheiten umstößt. Das ist immer mit Mühsal verbunden. Diese Anstrengung ist auf dem Weg zu Gleichberechtigung jeoch nötig.

6.4. Kontrollverlust
In Frankfurt stehen sich normale Bankgebäude auf einem Haufen, die Bundesbank sowie das EZB-Gebäude in einem Triangel gegenüber.
Die poststrukturell kritische Perspektive gegenüber der Architektur der Bundesbank begreift diese in ihrer Form als maximal mögliche Reduktion eines Schlosses. Darin spiegelt sich, dass Geld an die Stelle des absolutistischen Herrscher als oberste Instanz getreten ist. Alle (anderen Banken) haben sich nach ihr auszurichten.
Die EZB wiederum sondert sich von Banken und Bundesbank ab und symbolisiert mit ihrer ausgefallenen Architektur, dass sie mi dem alten System nichts zu tun hat, und somit eine exzentrische Kontrollfunktion übernimmt.

Das ist eine Deutung der Architektur und Positionierung der Banken. Ob sich die Erbauer das auch so gedacht haben? Genau diese Frage, nach der ursprünglichen Bedeutung, ist nach der poststrukturellen Denkweise irrelevant.
Denn nachdem ein Text der Öffentlichkeit zugänglich wird, entzieht sich dem Autor des Textes die Kontrolle über seinen Text, über die Art, wie sein Text interpretiert wird. Der Autor kann zwar seine Interpretation in die Diskussion einbringen, jedoch ist sie nur eine von vielen möglichen Deutungen. Das wird als Kontrollverlust bezeichnet.
Daran zeigt sich, dass die Grenze zwischen Sprache und Sprechendem verwischt; nicht der Autor spricht die Sprache, sondern die Sprache spricht den Autor.

6.5. Das Verschwinden des Autors
Die Deutung über seinen Text entzieht sich der Kontrolle des Autors. Der Autor tritt zurück und reiht sich ein in ein Meer der Interpreten.
Der Namenskult hat viel von seiner Bedeutung verloren. Heute ist es in vielen Bereichen nicht mehr wichtig, von wem etwas stammt, wer der Urheber eines Textes, eines Bildes, einer Idee ist. Nur zu oft ist das nicht nur nicht mehr wichtig, sondern auch so gut wie unmöglich, nachzuweisen, wer der Urheber ist.

6.6 Lecker Meme-Suppe
Praktische Anwendung findet dieses Prinzip auf Seiten wie "4Chan", die ungefilterte Internet-Ursuppe, in welcher jeder Autor denselben Namen trägt, nämlich gar keinen: Anonymous.
4Chan stellt einen Umschlagplatz der Meme dar.
Den Begriff "Meme" hat Dawkins in seinem Buch "Das egoistische Gen" geprägt. Darin postuliert er, dass es bestimmte Gene gibt, die sich ähnlich einem Virus verbreiten, anpassen, weiterentwickeln und teilweise immunisieren. Um zu zeigen, dass dieses Prinzip auch in der kulturellen Welt sichtbar greift, erfand er den Begriff der Meme, also Ideen, die sich irgendwann viral verbreiten. Irgendwann verbreitet sich ein solches Meme nicht mehr schrittweise, von einem zum anderen, sondern es macht "Klick" und auf einmal weiß irgendwie jeder, worum es geht. Jeder hat irgendwie schon von irgendetwas gehört, ohne dass man sagen kann, von wem man es hörte.
Der Autor verschwindet im Nebel der Unklarheit.
Ein Merkmal des Memes ist, dass es sich radikal von anderen Zeichen absetzt. Denn je stärker die Differenz zum Erwarteten ist, desto größer ist der "Aha-Effekt". Je größer der "Aha-Effekt", desto größere Chancen hat das Meme sich weiterzuverbreiten. Wenn ich fünfzig Mal auf 4chan blau sehe und dann auf einmal rot, wird sich das rot am ehesten einprägen.

6.7. Ein bisschen Linguismus
Man sucht sich immer die kleinsten gemeinsamen Teile, um das Große und Ganze zu erklären. In der Physik sieht man auf die Atome. In der Sprachwissenschaft nennt man die kleinsten Sinnträger, die sich von anderen Lauten absetzen, "Phoneme".
Strukturalismus ist ein Zweig der Sprachwissenschaft, der Mechanismen der Sprache theoretisch abstahiert und versucht auf die Kultur zu übertragen.
Anthroplogie ist die Lehre vom Menschen. Claude-Levi-Strauss brachte nun den Strukturalismus in die Anthroplogie, indem der den Begriff der "Mytheme" prägte.
Mytheme sind narrative Einzelelemente, die maximale Unwahrscheinlichkeiten in abstrahiertester Form darstellen. Die Ödipus-Legende etwa erfreut sich nach so langer Zeit großer Beliebtheit, weil in ihr viele einzelne Elemente maximaler Unwahrscheinlichkeiten verbunden werden:
Ein Mythem ist, dass der Sohn seinen Vater tötet. Ein anderes, dass der Sohn mit der Mutter schläft. Ein weiteres, dass er sich nicht bewusst ist, mit wem er schläft, und wen er tötet.
Das maximal Unwahrscheinliche wird von Menschen am ehesten weiterverarbeitet.
Ebenso, wie beliebte Memes auf 4chan immer weiter in Variationen wiederholt werden, durchziehen bestimmte Figuren und Erzählstränge Filme, Bücher und jede Form der Geschichtenerzählung bis heute. Bestimmte Prinzipien erfreuen sich halt immer dergleichen Beliebtheit im Publikum.
Die Literaturwissenschaft übernahm das Prinzip der Archetypen, und liest seitdem alle Literatur auf neue Weise. Jede Geschichte wird in ihre kleinstmöglichen Erzählelemente zerlegt. Ein Buch kann auf diese Weise solange in Einzelteile zergliedert werden, bis nur noch ein Haufen Mytheme übrig ist.

Das letztendliche Ziel dieser Bemühungen ist herauszufinden, was die kulturell übergreifende Universalgrammatik ist. Gibt es quasi Erzählatome, die in ihrer reinen Beschaffenheit immer gleich sind, nur von verschiedenen Kulturen unterschiedlich zusammengesetzt werden?
Nein, meint der Postrstrukturalist. Es kann keine festen Werte geben, weil sich Zuschreibungen (Interpratationen) immer ändern können.Außerdem ergibt sich Sinn immer nur in Abgeschlossenheit. Erst nachdem ein Satz ausgesprochen wurde, wird sein Sinn klar. Die Sinnproduktion erfolgt a posteriori. Erst in der Aktion wird der Gehalt erkennbar.
Daher gibt es nach dem PS keinen festen Baukasten, an den Linguistiker glauben. Stattdessen sind die einzelnen Elemente, die man sich herausgreift, zufällig.
Das wird "Arbitrarität" genannt. Es gibt keinen zwingenden Grund, eine physische Erscheinung mit brauner Rinde und grünen Blättern "Baum" zu nennen. Unsere Sinnzuschreibungen sind zufällig, und können sich jederzeit ändern.


6.7 Eine unheimliche Welt
Wo alle Gewissheit ungewiss wurde, lebt es sich seltsam schwerelos. Die Konsequenz des Postrstrukturalismus soll jedoch nicht der Nihilismus sein. Viel mehr sollten wir einfach im Hinterkopf behalten, wieviele scheinbar sichergeglaubte Dinge in ihrem Wesen doch so unsicher sind. Das ist eine Art zu denken, welche einen durch den Alltag begleiten kann. In allen Debatten, deren zeuge man wird, kann man so immer seinen eigenen Standpunkt kritisch beleuchten. Ist eine Sache wirklich so klar, wie sie scheint? Welche anderen Sichtweisen gibt es? Welche Sichtweise vertritt mein Gegenüber? Und in welcher Kultur, welchem Mileu, was auch immer, ist er aufgewachsen, dass er so denkt?


So endet mein kurzer Überblick über den Poststrukturalismus. Dieser letzte Teil ist etwas konfuser als der Geschichtsrückblick, was nur deutlich macht, dass die Gegenwart sowieso erst im Rückblick (besser) erklärbar wird, weil man ihr eine bestimmte Deutung gibt (welche jedoch beliebig ist). 
Ausflüge wie in den Linguismus sind sicherlich viel zu vereinfacht. Das ist der Vorzug, wenn man kein Fachmann ist. 
Vielleicht wurde jedoch klar, wie vielfältig die Auswirkungen des Poststrukturalismus für unseren Alltag sind.
Danke und auf Wiedersehen, bs zur nächsten Folge Summera-TV !

Poststrukturalismus 3




5.Der unaufhebbare Widerspruch

5.1.: In a Nutshell
In diesem Teil kommt der geschichtliche Rückblick zum Ende. Die Widersprüchlichkeit in Kants Denkmodell wird klar und leitet die "Linguistic Turn" ein- von da an sind alle philosophischen Probleme sprachliche Probleme. Drei Lösungsmodelle wurden entworfen, um dem entgegenzustehen:
1. Die analytische Sprachphilosophie
2. Die Hermeneutik
und
3. Der Poststrukturalismus,
welcher im Gegensatz zu den beiden anderen Modellen keine Lösung mehr anzustreben versucht, da man nie aus dem infinitiven, dem endlosen Prozess des Erkennens ausbrechen kann: Eine Meta-Sprache, die die Sprache beschreibt, hat wiederum ihre Meta-Meta-Sprache und so weiter.
Das kann man entweder negativ  als Werterelativismus, oder aber positiv als Hyperaufklärung bezeichnen.

5.2.: Herder versus Kant
Am Anfang stellte sich Kant auch die Frage, wie man Moral erklären kann. Bevor er darauf antworten kann, erkannte er, muss er aber erst ausmachen, was die Erkenntnislogik eines Menschen ausmacht.
Durch Kant kam es zur Aufklärung. Kant schloss in seiner "Kritik der reinen Vernunft" dass es zwar das "Ding an sich", also die objektive Realität/Wahrheit gibt, der Mensch es aber nicht in seiner reinen Form sieht, sondern nur in der Wahr-nehmung abbildet. Dazu bedient er sich der Vernunft, die mit dem "Ding an sich" irgendwie verbunden ist. Wir bekommen also dem Ding an sich umso näher, je besser wir uns der uns innewohnenden Vernunft bedienen. Die Vernunft ist a priori, alles , was wir in der Welt erfahren, a posteriori.
Diese Vernunft ist universell, potentiell bei jedem Menschen gleichsam vorhanden- nur der Grad der Nutzung variiert. Das eröffnet die praktische Möglichkeit, dass alle Menschen miteinander auskommen können und alle Widrigkeiten untereinander beilegen können, wenn sie nur vernünftig darüber kommunizieren.

Und dann kam Herder und kritisierte, dass sich die Vernunft selbst gegenüber nicht transparent sein kann :
Kant schrieb die "Kritik" in der Sprache, die er gelernt hat. Diese Sprache musste er wie jeder erst als Kind lernen. Die Sprache ist weltlich. Sprechen ist Erfahrungssache.
Findig pointiert Herder, dass Kant mit seiner irdischen Sprache etwas überirdisches beschreibt. Die Vernunft ist rein weil universell, immer gültig, unveränderbar vor aller Erfahrung. Die Sprache ist dynamisch, unrein, wandelbar, nach der Erfahrung, weltlich.

Wie kann man die Vernunft mit der Sprache beschreiben?
Wie kann man sicher sein, dass dieses so vielen Beliebigkeiten ausgesetzte Instrument dazu geeignet ist, das Prinzip der Vernunft zu repräsentieren?

Die Vernunft ersetzt Gott als höchstes Prinzip. Sie muss sich prüfen lassen können, ansonsten landet sie, genau wie Gott, in der Schublade der Unbeweisbarkeit/Unwiderlegbarkeit als reine Glaubensfrage.
Dabei kann sich die Vernunft jedoch nur ihrer eigenen Instrumente bedienen, um sich zu prüfen. Ich kann formale Logik innerhalb der formalen Logik anwenden, aber nicht außerhalb. Innerhalb eines geschlossenen Systems habe ich kein Problem, das System zu beweisen. Wenn es jedoch wirklich geprüft werden soll, muss es von aussen geprüft werden. Außerhalb der Logik kann ich die Logik nicht beweisen. In der "echten" Welt hat die Logik keine Entsprechung. Der Formalismus endet im Leerlauf.
Das wird als "linguistic turn" bezeichnet, die Wende, von der an die Sprache als vermeintliches Instrument, die Vernunft darzustellen oder eben nicht darstellen zu können, im Fokus der Aufmerksamkeit aller Grübler steht.

(Persönlicher Kommentar: Das ist eigentlich das Ende der herkömmlichen Philosophie als reine Disziplin- ihr ist nur der Bereich der Logik geblieben, der für sich genommen nicht viel mehr ist als das, was er für sich genommen ist. Stattdessen treibt sich Philosophie immer als Teildisziplin in allen anderen Disziplinen herum um sich ein bisschen einzumischen. Oder degradiert sich zu Alltagsphilosophie, um neben

5.3.: Drei Wege
Es bleibt nichts als Unbehagen. Auf einmal ist nichts mehr klar. Dabei sah in der Aufklärung für kurze Zeit alles so schön aus, das Happy End schien nah; wenn man die Vernunft unumstößlich beweisen könnte, könnte man von da aus ein für jeden gültige Moral konzipieren und in Riesenschritten der immer vernünftigeren, sich immer mehr dem Ding an sich annähernden Weltgemeinschaft zugehen.
Aber so ist es erstmal unmöglich, unumstößlich gültiges über Moral zu sagen. Denn dazu ist die Vernunft nötig. Und wie wir gesehen haben, muss man sich der Sprache bedienen, um die Vernunft zu erklären.
Aus dieser Beschäftigung mit der Sprache entstanden drei Denkrichtungen:

- Die analytische Sprachphilosophie des angelsächsichen Raumes, die Anwendungsorientiert ist.
Okay, ich will nicht viel über etwas schreiben, wovon ich ehrlich gesagt so gut wie nichts weiß, darum lasse ich es bleiben. Wichtig ist hierbei nur, dass Anhänger dieser Richtung nicht verzweifeln, sondern der Ansicht sind, mit Common Sense alle Probleme lösen zu können- man ist anwendungsorientiert.

- Die Hermeneutik aus deutscher Richtung, welche das System hinter der Sprache zu deuten versucht. Eine hermeneutische Sichtweise ist also, dass sich in jedem Abbild die dahinterliegende Struktur abzeichnet: Das Universum im Sandkorn sozusagen. Die Sprache mag also oberflächlich unsauber sein, jedoch bildet sich in ihr die ihr zugrundeliegende Wahrheit ab. Es lohnt sich also, die Sprache zu sezieren, in ihre kleinsten Teile zu zerlegen um zu sehen, wie sie beschaffen ist.

- Der Poststrukturalismus, der da alle Strukturen zereisst,  und die Suche nach endgültigen Wahrheiten endgültig aufgibt, da er sie als endgültig sinnlos entmystifiziert.

5.4.: Landung auf Planet Poststrukturalismus
Diese Denkrichtung hat keine programmatische Bibel, mit der man anderer Leute Köpfe einschlagen kann. Darum kann man dem PS Schwammigkeit vorwerfen.
Er sagt aber weniger, wie die Welt ist, als, wie sie nicht ist. Sie ist nämlich niemals nur so, sondern kann auch ganz anders sein.

Also nochmal zusammengefasst:
Es wird unklar, ob ich die Sprache spreche, oder die Sprache mich spricht. Ich kann nur in der Weise denken, wie es der Rahmen der Sprache erlaubt, mit der ich aufgewachsen bin. Spräche ich eine andere Sprache, würde ich auch anders denken. Die Sprache ist das Produkt einer Kultur, und es gibt viele unterschiedliche Kulturen, Sichtweisen, Sprachen. Das ich mit etwas, was von außen kam, etwas beschreiben soll, was theoretisch schon immer innerlich war, stellt einen vor einen unauflösbaren Widerspruch.
Der PS lehnt im Gegensatz etwa zur Hermeneutik ab, Sinn hinter dem System zu vermuten, da hinter diesem Sinn ein weiterer Sinn stehen müsste, und immer so weiter.

So wie Atome in der Physik die kleinsten Teile der Dinge darstellen, gibt es kleinste Teile von Sinn in der Sprache. Außerhalb der Welt gibt es keine Welt, und die ganze Welt ist Text. In der Konsequenz ist kein Text mehr davor sicher, von Linguisten untersucht zu werden. Ein Gedicht kann auf dieser Grundlage linguistisch genauso seziert werden wie Heideggers "Sein und Zeit" .

Im poststrukturalistischen Denken macht dieses Sinnsuche jedoch keinen Sinn mehr.
Diese Denkweise gibt das geistige Werkzeug her, gängige Denkweisen zu hinterfragen. Unsere abendländische Philosophie ist nur eine Art der Weltanschauung. Sie hat den Stein der Weisen nicht in der Hand, sondern ist nur eine Möglichkeit.
Hier funktioniert PS als Hyperaufklärung, Aufklärung nach der Aufklärung, welche die Grenzen der Aufklärung aufweist, auf den verfügbaren Spielraum verweist und Vorschläge gibt, nach welchen Regeln man innerhalb dieses Raumes mit anderen spielen kann.

Montag, 25. März 2013

Poststrukturalismus 2


Poststrukturalismus 2

4.Aufklärung
Ende des 18. Jahrhunderts kommt es zur Aufklärung.
In ihr wird der Mensch aufgeklärt über die von ihm selbst geschaffenen Restraints, den Widrigkeiten,Fesseln, Barrieren,  die ihn in seiner Freiheit beschränken. Nachdem sich der Mensch über diese von ihm selbst geschaffenen Barrieren bewusst wurde, setzt er sich über sie hinweg.

In der vormodernen Welt hielten die Machthaber die Restraints in der Hand. Ihre Rechtfertigung, die Legitimation ihrer Macht, lag im Verweis zu göttlicher Authentifizierung.
Aus diesem Grund kann man die islamische Welt innerhalb dieser Sichtweise als immer noch vormodern bezeichnen.

Der Chef der Aufklärung ist Kant.
 Vorarbeit wiederum hat Descartes geleistet, indem er eine Existenzbegründung von sich selbst ohne Gott schuf:
"Ich denke, also bin ich"
Dadurch wurde Gott zu einer bloßen Möglichkeit degradiert. Zuvor wurde er in der Denkweise der Menschen als Tatsache gehandelt. Gott schuf den Menschen, darum existierten die Menschen. Durch Descartes wurde das anders. Von da an war Gott nur noch eine Möglichkeit, aber keine Notwendigkeit. Der Mensch existierte, weil er dachte.
Natürlich dachte mit Eintreten des Gedankens von Descartes nicht jeder so. Aber eine neue Idee hat die Welt des Geistes betreten. Es gab nun eine alternative Denkweise, die nicht mehr wegzudenken war.
Auf diesem Fundament wurde weiter aufgebaut.

Kant dachte elf Jahre in seiner Stube nach und stellte dann mit Erscheinen seiner "Kritik der reinen Vernunft" die gesamte Philosophie auf den Kopf, was als kartesianische Wende bezeichnet wird.
Mit "Kritik" ist hier "Abhandlung" gemeint.
Kants Denken wurde auch mit kritischer Kritik begegnet, aber dazu kommen wir erst später.
 Kant rückte das Subjekt, welches Descartes zuvor von Gott autonom machte, ins Zentrum der Welt, während zuvor die Welt im Zentrum stand.
Das heisst, vor Kant wurde die Welt als objektive Wahrheit begriffen, die der Mensch erkennend verstehen kann. Kant entwickelte aber die Idee, dass das Subjekt alle Erkenntnisse selbst generiert. Die Naturgesetze etwa schwirren nicht irgendwo da draußen herum und exisieren unabdingbar, sondern sie werden im menschlichen Bewusstsein generiert. 
Das heisst auch: Gibt es keinen Naturgesetze schaffenden Menschen, gibt es keine Naturgesetze. Darum richtet sich die Natur nach dem Menschen und nicht umgekehrt.

"Bisher nahm  man an, alle Erkenntnis müsse sich nach den Gegenständen richten;
aber die Gegenstände müssen sich nach unserer Erkenntnis richten."

Gott wird von Kant vollends in die Glaubens-Schublade gewiesen. Kant killte alle Versuche, Gott rational zu beweisen (und damit auch zu widerlegen), indem er alle wichtigen Gottesbeweise kaputtdachte- Vernunft for the win, die sogenannten Beweise waren völlig nichtig, wenn man nur ordentlich über sie nachdachte.
Das machte Kant aber nicht etwa, weil er etwas gegen Gott hatte. Nein, Kant war ein Freund Gottes und tatsächlich ziemlich gläubig. Aber eben auch nicht mehr als gläubig. Kant bewies, dass Gott rational nicht zu beweisen ist und damit reine Glaubenssache.
Gott wird eine unerhebliche Privatsache.

Die Religion ließ sich von Kants Denkweise beeinflussen , indem sie die Bedeutung der Aussage, dass Gott den Menschen nach seinem Ebenbild schuf, umdeutete. Ebenbild war von nun an nicht mehr in dem wörtlichen Sinn zu verstehen, dass Gott wie ein Mensch aussieht, also das Väterchen mit weißem Bart in der Wolke ist, sondern im Übertragenen Sinn, dass dem Menschen dieselbe Vernunft innewohnt und er nur in diesem Sinne ein Ebenbild Gottes sei.

Der Dreh- und Angelpunkt in Kants Denken ist die Vernunft. Jeder Mensch ist mit potentiell mit derselben Vernunft ausgestattet. Nur entfaltet sich diese universelle Vernunft nicht universell.
Die Logik ist ein Trainingsprogramm der Vernunft.
Wer ordentlich mit formalen Aussagen umgehen kann, lernt, sich seiner Vernunft zu bedienen.
Also übt man erst, mit Axiomen, Prämissen etc. auf rein formaler Ebene zu hantieren. Und dann kann man diese Art des Denkens auf die Welt übertragen.
Wer nicht logisch denken kann, kann nicht vernünftig handeln.

Kant kombinierte die Denkweisen des Rationalismus, nach dem bestimmte Kategorien des Erkennens a priori (vor der Erfahrung) vorgegeben sind und den Empirismus, nach dem sich die Wirklichkeit allein durch äußeres Einwirken, durch Erfahrung, im Menschen generiert. Das ist eine recht allgemein Aussage. Wer will, kann sich zur Vertiefung nach Belieben in Kants Texte eingraben um herauszufinden, was damit gemeint ist. Aber es geht mir hier nicht um die Herleitung, sondern nur um die Auswirkungen des Resultats seines Denkens. Um den Überblick zu wahren, muss man eine relative Flughöhe über den Gedankenkonstruktionen wahren. Ansonsten landen wir in einem Gedankenschloss und verlieren uns in seinen Komplexen und verlieren die Ausgangsfrage am Horizont, welche ja "Was ist der Poststrukturalismus?" ist.

Kant stellt also den Universalitätsanspruch, dass allen Menschen dieselbe Vernunft zugebilligt wird.
Die Vollendung dieser Emanzipation wurde erreicht, als ein Schwarzer die höchste Machtposition bekleidete.


Das klingt ja alles wunderbar. Aber ist es wirklich so kritiklos super beschaffen um die Vernunft?

Sonntag, 24. März 2013

Listening- Diary: Poststrukturalismus 1


Poststrukturalismus

24.03.2013

1.Zuvor:

Dieser Text ist eine schriftliche Zusammenfassung dessen, was bei mir hängenblieb, nachdem ich die Folgen über Poststrukturalismus auf dem CRE gehört habe. Im Podcast erzählt Gregor Sedlag auf zwei Folgen verteilt, was er nach jahrelangem Studium zu der Thematik sagen kann. Dementsprechend hoch  ist die Informationsdichte dieser beiden Folgen, insbesondere Teil 1, der in keinen zwei Stunden einen großen Überblick der Philosophiegeschichte darstellt.

Ohne jegliches Vorwissen ist es dementsprechend schwer, dem Podcast durchgehend folgen zu können. Grundwissen über Marx, Marxismus, dem kritischen Marxismus der 68er-Bewegung, dem Descardianischen Cogito , der kantianischen Wende der Philosophie , dem Rationalismus und dem Empirismus ist dabei hilfreich.

Ich nehme mir nicht heraus, jetzt zu wissen, was Poststrukturalismus im strengen Sinne ist. Mir sind Grenzen gesetzt, und dem zusammengerafften Wissensdestilat mehrerer Jahre des Studierens eines Anderen zu lauschen befähigt mich zwar nicht, auf denselben Level von Wissen und Hintergrundwissen zu kommen- dennoch habe ich einen guten Eindruck davon bekommen, um was es geht.


Warum ich diesen Text schreibe:

Einmal, um allgemein das Schreiben zu üben. Relativ locker aus dem Gedächtnis, aber auch unter Zuhilfenahme von Notizen, die ich mir beim Hören machte, wiederzugeben, was ich gelernt habe.
Zudem, um, ganz profan, das Tippen am Laptop zu üben.
Mir schwant, dass mein zukünftiges Ich auf seiner universitären Laufbahn viele Texte schreiben werden muss. Von Anfang an schriftliches Referieren als Gewohnheit mitzubringen, kann da nicht schädlich sein. Von der Schule her allein schreiben wir viel zu wenig, eigentlich nur während der Klausuren. Wo also kein Zwang von Außen kommt, setze ich mir brav selbst den Zwang auf.

Zuletzt glaube ich, dass man auf verschiedene Weisen lernen kann, auf verschidenen Stufen und Leveln, die bestimmen, wieviel vom Gelernten hängen bleibt, kurz- und langfristig. Etwas zu lesen oder zu hören ist gut auf kurze Zeit. Wenn man die neuen Infos aber nicht festhält, verflüchtigen sie sich schneller. Mit einem anderen darüber zu kommunizieren festigt Wissen im Vergleich viel besser. Vor anderen ein Referat halten zu müssen, setzt einen einem viel größeren Druck aus, Informationen ordentlich aufzubereiten.
Mein Leben ist ein täglicher Kampf gegen Desinteresse und Vergessen!

In Ermangelung interessierter Ohren in meiner nächsten Umgebung reicht jedoch auch die Verschriftlichung. Zumindest theoretisch kann dieser Text anschließend zur Diskussion gestellt werden. Letztlich ist dieses Unterfangen aber eher unlustiger, egoistischer Natur.




2. Heute und Gestern
Zu Beginn stehen wir in der Gegenwart. Die Moderne haben wir hinter uns gelassen. Wir leben in der Postmoderne. Was heisst das? Was macht denn die Postmoderne aus?

Der alte Heidegger sagte mal etwas in der Art von: "In der Veränderung des Wesens kommt das Sein zum Vorschein" .
Halleluja! Das bedeutet, für sich alleine stehend ist nichts erklärend. Erst im Vergleich der Gegenwart zur Vergangenheit kann klarer werden, was die Gegenwart ausmacht.
Daher rührt auch der ausgelutschte Spruch, wer die Fehler der Vergangenheit nicht kenne, sei dazu verdammt, sie zu wiederholen. Na ja. Fehler zu machen ist letztlich unvermeidbar. Aber man senkt zumindest die Wahrscheinlichkeit, bestimmte Fehler zu machen.
Ich selbst kann nur ein Bild davon machen, wer ich bin, indem ich mit anderen kommuniziere. And so forth
Um also zu verstehen, was die Postmoderne ausmacht, müssen wir einen Schritt zurückmachen und herausfinden, wodurch sich die Postmoderne von der Moderne unterscheidet.
Und dann müssen wir verstehen, was denn die Moderne von der Vormoderne unterscheidet. So begründet sich auch der große Rückblick auf mehrere Jahrtausende Philosophiegeschichte.
Erst wenn dieser große Bogen gemacht wurde, wird klar, wie die einzelnen Elemente zusammenhängen und weshalb es Philosophie, so wie sie früher betrieben wurde, nicht mehr gibt, und nicht mehr geben kann- und weshalb stattdessen in den letzten Jahren Richtungen wie Sprachwissenschaften entstanden sind, oder Cultural Studies, und Medienwissenschaften.

3.Postmoderne und Moderne
Poststrukturalismus ist so etwas wie die Philosophie der Postmoderne.
Der Poststrukturalismus ist nicht apodiktisch, das heisst, er ist nicht darum bemüht, unumstößliche Wahrheiten zu finden. Eher ist das Gegenteil der Fall. Wer meint, die Wahrheit gefunden zu habe, ist nach poststukturalistischer Denkweise ein höchstverdächtiger Kauz.
Poststrukturalismus ist keine feste Lehre, sondern eher eine Art zu denken. Er liefert das geistige Rüstzeug, um bestehende Denksysteme abzuklopfen und kritisch zu hinterfragen. Allem voran den Wahrheitsanspruch von Denksystemen machte der Poststrukturalismus zunichte, weshalb man ihm Werterelativismus vorwerfen kann. Aber dazu kommen wir erst später.

Es gab ungefähr um die Zeit der 80er herum einen Epochenbruch, den schrittweisen Übergang von der Moderne zur Postmoderne, der sich auf breiter gesellschaftlicher Basis in vielfältigen Bereichen vollzog, wie etwa Mode, Musik, Design, dem Fernsehprogramm oder Architektur.
Allen Änderungen in den verschiedenen Bereichen war ihre Diskontinuität gemein. Das heisst zum Beispiel für die Musik, dass auf den Pop die Punkmusik folgte. Auf einmal war es Hip, Klamotten zu tragen, die verpönt waren, zerissene Jeans and so on. Aber dabei blieb es nicht, denn sobald alle Punks ungefähr auf die gleiche Weise herumliefen, traten Bands mit Anzug und Krawatte auf, um wiederum die neue Norm in der eigenen Subkultur zu brechen. Mit Normen zu brechen ist somit ein Merkmal des Epochenumbruchs und die neue Norm.
Allgemein spürte man an allen Fronten ein Unbehagen gegenüber dem rücksichtslosen Programm der Moderne, die ihren unbedingten Fortschrittsglauben auf ihre Fahnen geschrieben hat.

Der Fortschritt war also die Konstante der Moderne. Erst mit der Moderne wurde Dynamik die Regel. Das die Welt im steten Wandel war, wurde die immergleiche Gewissheit. Und die Zukunft sah rosig aus: alles würde immer besser werden. Wachstum ist super, und jem mehr Wachstum, desto besser das Leben.
Damit setzte sich die Moderne von der Vormoderne ab, welche eine feste Welt hatte. In der Vormoderne gab es nicht die heutige Vorstellung der Zukunft. Ein vormoderner Mensch hätte ganz selbstverständlich angenommen, dass die Welt in tausend Jahren ungefähr genauso beschaffen ist wie zu seinen Lebzeiten.

Den Stein der Dynamik ins Rollen gebracht hat auch der Buchdruck, welcher etwa 1450 den Beginn der Neuzeit markiert.


Sonntag, 3. März 2013

Wie bildet man sich eigentlich eine eigene Meinung ?

Zu einem großen Teil bin ich selbst dafür verantwortlich, welche Themen durch meine Gehirnwindungen geistern.
Ich kann mich entscheiden, ob ich Zeitung lese oder nicht. Und wenn ja, welche Art von Zeitung ich lese. Welche Artikel ich mich entscheide zu lesen.
Dann werde ich mich mit Meinungen zu Themen konfrontiert, von denen ich zuvor nichts gehört habe. Mit neuen Themen werden neue Meinungen geliefert.
Ich habe dann erstmal eine Meinung zu einem Thema zur Hand. Dann kann ich weitere Artikel zum selben Thema lesen. Oder ich höre von anderer Seite mehr dazu. Ich höre, wie Freunde dazu stehen. Was die Friseurin um die Ecke dazu zu sagen hat.
Wie bilde ich mir schließlich die eigene Meinung?
Sieht es nicht oft so aus, als ob man sich nicht eine total originelle Meinung bildet, mit der man völlig alleine dasteht- sondern als ob man sich einfach eine Meinung aus dem Katalog zur Verfügung stehenden Meinungen aussucht?
Diese kann man dann etwas um-modeln, anpassen, verbiegen. Welche Meinung man schließlich wählt, hängt auch viel davon ab, welches Denksystem man sich im bisherigen Leben aufgebaut hat. Oder mit welchen Leuten man befreundet ist. Von wem man sich abgrenzen will...
Es ist also weniger ein Bilden der Meinung, sondern ein Aussuchen der zur Verfügung stehenden Meinungen.
Ich ziehe mich in der Weise an, in der ich mich wohlfühle. Und so suche ich mir auch Meinungen aus, mit denen ich mich gut fühle.
Wie das alles zustandekommt? Am Ende kann ich das nicht vollständig beantworten, denn dazu müsste ich mich komplett verstehen. Tue ich aber nicht.
Ich kann nur über das Denken denken. Mich fragen, wie Meinungsbildung funktionieren mag.
Allgemein glaube ich, ist es immer besser, mehr als wenige Meinungen zu jedem beliebigen Thema zu kennen.
Wenn man nur eine Meinung kennt, ist das der schlechteste Fall. Dem kann man universell mit der Frage "Kann das nicht auch anders sein?" den Boden unter den Füßen wegziehen.
Auch wenn es schwerfällt. Gerade unter alten Freunden passiert es leicht, dass die Gruppe sich in einer Meinung trifft.
Ich kann nur mit den Dingen arbeiten, die mir zur Verfügung stehen. Habe ich wenige Werkzeuge, kann ich nur weniger bauen. Darum halte ich es prinzipiell für ganz gut, sich mit möglichst vielen Dingen zu beschäftigen, seine Komfortzone des Gewohnten zu verlassen, neue Perspektiven kennenzulernen, um einen größeren Rahmen an wahlmöglichkeiten zu schaffen.